Rückblick RZVFORUM Management 2019 in Leipzig

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Das RZVFORUM Management fand in diesem Jahr in der Alten Handelsbörse am Leipziger Naschmarkt statt. Mit ihrem barocken Ambiente aus dem 14. Jahrhundert bildete die Alte Handelsbörse schon rein visuell ein spannendes Gegengewicht zu den visionären Zukunftsthemen, die im Vormittagsprogramm auf der Agenda standen.

Wie digital wird unsere Medizin? Werden Algorithmen zukünftig die Diagnose stellen und sind Roboter irgendwann einmal die besseren Chirurgen? Fest steht, die Geschwindigkeit, mit der neue digitale Lösungen in den Markt drängen, ist enorm – dem gegenübersteht in Deutschland jedoch ein starres Gesundheitssystem, das durch starke Regulierungen und Auflagen vielfach die notwendigen Innovationen ausbremst. Mit dieser Einschätzung lässt sich die Keynote von Dr. Tobias Gantner zusammenfassen, der als Experte auf dem Gebiet der digitalen Transformation im Healthcare-Sektor gilt und der den Auftakt beim diesjährigen RZVFORUM Management in Leipzig machte.

Niedergelassene Ärzte kommunizieren heutzutage oftmals noch mit dem Faxgerät

Beispiele für technologische Innovationen gibt es zu Hauf. Da entwickelt ein großer deutscher Autohersteller Lenkräder mit Sensoren, die medizinische Daten, wie Puls, Blutdruck, EKG und EEG messen können. Da entstehen modernste Methoden mit VR-Brillen, damit Mediziner höchst realistisch in ein Immunsystem eintauchen können, um die komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen und es entstehen digitale Lösungen in der Augendiagnostik, um treffsicher den Blutzuckergehalt eines Patienten zu identifizieren. Auf der anderen Seite haben wir aber immer noch ein Gros an niedergelassenen Ärzten, bei denen das Faxgerät das Maß der Dinge ist, wenn es um „moderne“ Kommunikation geht. Derart aufgestellt werden sich telemedizinische Lösungen nicht realisieren lassen. Deshalb stehen wir in Deutschland vor großen strukturellen Herausforderungen, betonte Dr. Tobias Gantner in seiner Keynote. Fazit von Dr. Gantner: Die digitale Entwicklung im Gesundheitswesen lässt sich nicht aufhalten, doch bei dem ganzen Hype um Dr. Google und Co ist eines auch klar. Der Faktor Mensch wird immer eine große Rolle spielen, denn Vertrauen und Zwischenmenschlichkeit lassen sich definitiv nicht digitalisieren!

Das deutsche Gesundheitswesen verliert bei der digitalen Transformation den Anschluss


Den Blick auf das hier und jetzt folgte mit dem anschließenden Vortrag von Henning Schneider, CIO bei der Asklepios Gruppe und Vorreiter, wenn es um digitale Großprojekte in deutschen Gesundheitskonzernen geht. Das Bild, welches er von der aktuellen Digitalstrategie im deutschen Gesundheitswesen zeichnete, lässt sich durchaus als düster bezeichnen. Namhaften Studien zu Folge (Bertelsmann, McKinsey, Deloitte) findet sich das deutsche Gesundheitswesen im Vergleich zu anderen europäischen Staaten auf einem der hinteren Plätze und droht noch weiter abzufallen, wenn nicht grundlegende Veränderungen stattfinden. Insbesondere das geringe Investitionsvolumen in IT und Digitalisierung, eine fehlende Gesamtstrategie und definierte Rahmenbedingungen sowie das Fehlen einer nationalen Koordinierungsstelle sind für das schlechte Abschneiden verantwortlich. Dabei ist Deutschland durchaus in der Lage eine digitale Transformation umzusetzen. Bestes Beispiel hierfür ist das Projekt „Industrie 4.0“, wo die großen deutschen Industrieunternehmen mit genau diesen klaren Vorgaben und einem Investitionsvolumen von 40 Milliarden Euro pro Jahr den Paradigmenwechsel eingeläutet haben und mittlerweile zur Weltspitze gehören, wenn es um das Thema Digitalisierung geht.

Von diesem Ranking können die Einrichtungen des Gesundheitswesens nur träumen. Besonders deutlich wird dies, wenn man den EMRAM-Wert (Electronic Medical Record Adoption Model) der Krankenhäuser betrachtet. Dieses wissenschaftliche Modell misst den Grad der digitalen Durchdringung in sieben Stufen und man kann nur in eine höhere Stufe aussteigen, wenn die Anforderungen der darunterliegenden Stufe zu 100 Prozent erfüllt sind. Mit dieser Methode kann der Digitalisierungsgrad genauestens ermittelt werden. Deutsche Krankenhäuser liegen zurzeit bei einem Wert von 2,3 und sind damit von dem EU-Durchschnittswert 3,6 weit entfernt. Zudem ist der Abstand Deutschlands zum europäischen Durchschnitt innerhalb der vergangenen Jahre nicht kleiner geworden, sondern noch größer. Der Trend verspricht nichts Gutes.

Leuchtturm in der Digitalisierung: Das Hamburger UKE

Aber trotz alles Schwierigkeiten und Probleme, es gibt aber auch positive Nachrichten. Das Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf beispielsweise konnte schon bereits vor acht Jahren die höchste EMRAM-Stufe erreichen und hat somit den Schritt zu einem komplett papierlosen Krankenhaus vollzogen. Henning Schneider war in dieser Zeit verantwortlich für das Projekt und betonte in seinen Ausführungen, dass der Erfolg nur dadurch zu realisieren war, dass die Umstellung auf eine komplette digitale Dokumentation als unternehmensweite Aufgabe verstanden wurde und dass alle Akteure gemeinsam das Projekt begleitet und verantwortet haben. Man hat sich ausreichend Zeit gegeben und ein sehr detailliertes Prozesshandbuch aufgelegt, wobei alle Schritte aus Sicht des Patienten gedacht und definiert wurden.

Selbstführung als Erfolgsfaktor

Im zweiten Teil der Managementkonferenz ging es um das Thema Selbstführung, um die Kunst, sein eigenes Handeln und Tun zu reflektieren und den Blick nach innen zu lenken. Selbstführung ist entscheidender Erfolgsfaktor in unserer Arbeitswelt, denn um andere Menschen führen zu können, muss man zuerst sich selbst einmal an die Hand nehmen. Die Kommunikationsexperten Stefanie Voss und René Borbonus appellierten in diesem Kontext für mehr Klarheit. Klarheit schaffen, bedeutet erfolgreiches Führen und wird durch klare Entscheidungen, klare Strukturen, klare Kommunikation und klare Ziele erreicht. So lässt sich die Formel für eine gute Selbstführung auf drei Punkte runterbrechen: Annehmen was ist, Klarheit schaffen und Veränderung leben.

RZVFORUM Management 2020 geht nach Düsseldorf

Die Teilnehmer der Konferenz zeigten sich von dem Vortragsprogramm begeistert. Aber nicht nur die Wortbeiträge waren ein voller Erfolg, auch das kommunikative Miteinander, das gemeinsame Erleben der Stadt Leipzig und den wertvollen Austausch untereinander, schätzen die Gäste der Tagung. Und so kann man von einem Wiedersehen ausgehen, wenn es im nächsten Jahr am 18. Mai heißt: Bühne frei für das RZVFORUM Management 2020 in Düsseldorf.

05.06.2019